Indian Ocean Drive

Am 19. November verlassen wir Geraldton. Seit dem kämpfen wir gegen den Wind, der uns ab Mittag mit bis zu 30 km/h von südwesten her ins Gesicht bläst (die Aussies nennen das „sea breeze“). Jetzt ist es also nicht mehr die Mittagshitze, die uns zum Frühaufstehen bewegt. Bis ca. 10 Uhr ist der Wind nicht sehr stark oder kommt noch von Norden oder Osten. Und dann, als würde man einen Schalter umstellen, ist der Wind da. Unser Schnitt fällt schlagartig von 15 bis 20 km/h auf 10 km/h und die Böen fegen uns fast von der Strasse. Die Etappe von Geraldton bis Port Denison war besonders hart. 76 Kilometer mit starkem Gegenwind, und das alles auf dem starkbefahrenen Brand Highway mit vielen Road Trains. Ein Highway hat hier nur eine Spur pro Fahrtrichtung. Es gibt aber ca. alle 20 Kilometer eine Überholspur, damit die Road Trains und Wohnwagen sicher überholt werden können. Einen asphaltierten Pannenstreifen gibt es auch nicht immer, so dass wir teilweise auf der einen Fahrbahn zusammen mit allen anderen fahren müssen. Als Zückerchen oben drauf gab es noch eine Baustelle, d. h. ein Stück Strasse (Highway!!) ohne Asphalt, nur Sand. Wir werden erstmal von einem Road Train paniert, anschliessend vom Wasserwerfer, der die Strasse befeuchtet, klatschnass gespritz, um gleich anschliessend wieder von einem Road Train paniert zu werden. In der Mittagspausen haben wir die zwei Stück Cheesecake, die uns Fiona & Damon tiefgekühlt am Morgen mitgegeben haben, als Stärkung dringend gebraucht und am Abend belohnen wir uns mit einem kühlen Bier.

Tags darauf können wir den Brand Highway endlich verlassen und wir fahren nun auf dem Indian Ocean Drive Richtung Perth. An der Turquoise Coast sind wir bekannt wie ein bunter Hund. Die Gegend ist sehr dünn besiedelt und die Ortschaften klein. Unser Ruf eilt uns voraus und die Leute wissen, dass jetzt dann bald die zwei Velofahrer eintreffen werden. Beim Einkaufen oder an Rastplätzen werden wir dementsprechend auch angesprochen. Das ist zwar nichts Neues, denn mit dem vollbeladenen Velos wird man eh immer von irgendjemanden angesprochen. Ein paar Sprüche über den Gegenwind kann sich hier auch niemand verkneifen. Aber das ist okay. Die Leute sind sehr nett und hilfsbereit. Vor allem zahnlose ältere Kerle, deren Slang man kaum versteht. Die verbringen ihre Tage am liebsten mit Reisen und Fischen. Zwei solche Begegnungen an einem Tag hatten wir am Anfang des Indian Ocean Drives. Am Mittagsrastplatz haben wir frisches Wasser erhalten und uns wurden Geschichten über die vor dem Gegenwind geretteten Radfahrer in der Nullarbor Plain erzählt. Am späteren Nachmittag offerierte uns ein ähnlicher Typ Übernachtung und Wasser, dass war jedenfalls grob das, was Eliane verstanden hat. Wir haben uns dann aber trotzdem für den Rastplatz in der Nähe entschieden.

Cervantes, 22. November – die ersten 1’000 Kilometer sind geschafft. Hier bleiben wir zwei Nächte, trinken Kaffee, essen Torte. An unserem Ruhetag fahren wir nur 45 Kilometer zur Pinnacle Desert und zurück. Um vor der Masse und bei schönster Morgenstimmung dort zu sein, stehen wir wieder früh auf. Wir können ja den Rest des Tages schlafen. Die Morgendämmerung ist atemberaubend. Die Pinnacles haben wir dann ganz für uns, denken wir zumindest. Etwas später kreuzt eine 1 Meter lange Schlange unseren Weg und gegen Ende des Rundwegs treffen wir noch auf ein deutsches Paar.

In Cervantes treffen wir auch auf die ersten anderen Radreisenden. Natürlich nutzen wir die Gelegenheit, um uns etwas auszutauschen. Die zwei Holländerinnen waren nur einen Tag später in Green Head als wir und haben dort schon von uns erfahren.

Wir tauschen uns aber nicht nur mit den Radreisenden aus. Gestern haben wir am Picknick-Platz in Lancelin den Motorradfahrer Terry kennen gelernt. Er ist Rentner und geniesst seine Tage fast ausschliesslich mit Reisen. Entweder auf dem Töff oder mit dem Camper. Er hat uns viele gute Tipps gegeben, die schönsten Plätze auf der Karte gezeigt und uns schliesslich auch seine Nummer gegeben, falls wir noch weitere Fragen haben oder damit er uns bei Problemen helfen kann.

Wer nun denkt, dass wir uns die ganze Zeit nur auf dem Velo durchs Land quälen, irrt sich. Seit die „sea breeze“ wieder etwas wärmer ist und die Tage wieder über 30 Grad, geniessen wir die Nachmittage mit baden im Indischen Ozean und faulenzen am Strand.

 

Datum Strecke Distanz Höhenmeter
Geraldton - Cervantes
19. November 2016 Geralton - Port Denison 75.52 km 236 m
20. November 2016 Port Denison - Knobby Head Rest Area 50.35 km 96 m
21. November 2016 Knobby Head Rest Area - Green Head 49.73 km 79 m
22. November 2016 Green Head - Cervantes 58.65 km 93 m
23. November 2016 Cervantes - Nambung National Park (Pinnacles) 40.75 km 96 m
Total 275.00 km 600 m

Grossstadt à la Western Australia

Nur drei Tage und ca. 200 Kilometer haben wir gebraucht, um von Kalbarri in die nächste Grossstadt zukommen – Geraldton. Die grösste Stadt zwischen Perth und Darwin, die nur 4’000 Kilometer von einander entfernt sind. Geraldton zählt ganze 40’000 Einwohner (Stand 2015 gemäss Wikipedia) und ist somit kleiner als Thun. Einen würdigen Ersatz für unsere geliebten EXPED-Mätteli finden wir hier leider nicht, wir müssen wohl noch bis Perth mit unseren alten durchhalten.

Nach Kalbarri National Park sind wir nun im sogenannten Wheatbelt von Westaustralien. Es ist Erntezeit und das Getreide wird in Roadtrains von den Felder weggeführt. Die Landschaft wechselt von grünen Büschen und rotem Sand zu Getreide in beige und rotem Sand.

Die Schweiz war uns in den letzten Tagen immer wieder präsent. Im Hostel in Kalbarri haben wir Adam kennen gelernt, der derzeit mit seiner Familie in Grindelwald wohnt und ferienhalber in der Heimat ist. Auf seinem Auto kleben ein schöner Grindelwald- und ein CH-Sticker. In Northampton haben wir eine ausgewanderte Bernerin getroffen. Und schliesslich hat Eliane noch von Schnee und Skifahren geträumt, obwohl sie eigentlich das sommerhafte Frühlingswetter von um die 30 Grad in Australien überaus gerne hat.

In Geraldton haben wir nun das erste Mal selber Warmshowers ausprobiert und sind bei der Familie von Fiona und Damon untergekommen. Die sind mit ihren beiden Töchtern vor ein paar Jahren mit dem Velo durch Europa gereist und sind auf dieser Reise auch durch die Schweiz und über den Gotthardpass gefahren.

Datum Strecke Distanz Höhenmeter
Kalbarri - Geraldton
14. November 2016 Kalbarri - Lookouts 21.69 km 186 m
15. November 2016 Kalbarry - Port Gregory 75.98 km 363 m
16. November 2016 Port Gregory - Fig Tree Crossing Rest Area 94.65 km 540 m
17. November 2016 Fig Tree Crossing Rest Area - Geraldton 18.78 km 69 m
Total 211.10 km 1158 m

Nächster Supermarkt nach 400 km

Eigentlich wollen wir am 7. November von Monkey Mia direkt nach Nanga Bay zurückfahren, doch der Wind macht uns gehörig einen Strich durch die Rechnung. Wenige Kilometer ausserhalb von Denham wo wir den Mittag verbracht haben beschliessen wir umzukehren. Bei diesem Gegenwind können wir nicht mehr hoffen unser Ziel vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Stattdessen verbringen wir eine stürmische Nacht auf dem Zeltplatz.

Am Tag darauf haben wir mehr Glück. Der Gegenwind ist am Morgen zwar immer noch beträchtlich, doch wir können uns wenigstens Zeit nehmen für die nötigen Pausen. Wir übernachten in Nanga Bay und am Tag darauf im Overlander Roadhouse. Wir hofften dort unsere Vorräte aufstocken zu können. Leider gibts ausser Ice Cream, Crisp und kühlen Getränken nichts ausser Souvenirs. Wir hätten besser in Denham nochmals einen Stop beim Supermarkt eingelegt… Nun gibts halt Burger zum Znacht – auch nicht schlecht.

Weiter gehts am Donnerstag, 10. November zur Raststätte in Nerren Nerren. Die Mittagspause verbringen wir im Billabong Roadhouse. Auch hier gibts keine Grundnahrungsmittel, dafür erstaunlich gutes Curry. Hier treffen wir auch auf eine deutschsprachige Reisegruppe, die uns mit Bananen versorgt. Frische Früchte hatten wir schon lange nicht mehr, was für ein Genuss.

Wir teilen unser Nachtquartier mit einigen Campervans und 4 Oversize Trucks, die ganze Hausteile durchs Land fahren. Das ist offenbar günstiger als Baumaterial, Maschinen und ArbeiterInnnen durchs Land zu fahren.

Um diesmal dem Wind am Nachmittag zu entgehen, machen wir uns wieder früh auf und essen erst nach 25 km beim 200 Mile Water Tank Parkplatz Zmorge. Zwischen Ajana und Carnarvon wurden in den 1930ern in regelmässigen Abständen solche Tanks erbaut. Diese hier sind die einzigen, die noch erhalten sind – und sogar noch Wasser haben. Hier treffen wir auch auf ein gesprächiges Rentner-Pärchen aus Perth, die mit ihrem selbst gebauten Trike durchs Land tingeln.

Wir beissen uns durch bis zum Galena Bridge Rastplatz wo wir wegen dem totalen Feuerverbot unser Couscous in der Sonne stehen lassen. Das funktioniert hier ganz gut, sogar der Bouillon-Würfel löst sich allmählich auf.

Am letzten Tag unserer fünftägigen Fahrt durch die Pampa haben wir endlich Rückenwind. So fahren wir fast mühelos durch den Kalbarri Nationalpark. Hier stehen viele Büsche in Blüten. Emus spazieren über die Strasse und Kängurus verschwinden in den Büschen. Ausserdem müssen wir uns auch weniger auf die gewaltigen Road Trains konzentrieren, die uns während den letzten Tagen auf dem Highway regelmässig mit 100 Sachen überholt hatten.

Am Samstag 18. November am Mittag sind wir bereits in Kalbarri, der ersten Ortschaft nach 5 Tagen und ca. 400 km durch den Busch. Der Käse aus dem Supermarkt ist eine wahre Freude.

Die Distanzen sind hier oben wirklich eindrücklich. Von Denham bis Kalbarri gibt es nur die zwei Roadhouses, ein paar Raststätten und Parkplätze und vereinzelt ein paar Stations (Bauernhof). Die schlechte Netzabdeckung des Mobilfunks trägt das Seine dazu bei, dass man sich ausserhalb der Zivilisation fühlt. Trotz Telstra-SIM-Card (die angeblich super ist für Empfang nördlich von Perth) hatten wir nur in Denham und jetzt in Kalbarri wieder Empfang. Gemäss den Locals muss man sich den Empfang halt suchen, d. h. durch die Gegend laufen und irgend einen Hügel finden, auf dem man dann 2G erhält. In unserem Zimmer im Overlander Roadhouse konnten wir dennoch ein paar News aufschnappen. Australien war aufgrund der Zeitverschiebung eines der ersten Länder, die die Resultate von den Präsidentschaftswahlen in den USA erfahren hat.

Datum Strecke Distanz Höhenmeter
Denham - Kalbarri
7. November 2016 Monkey Mia - Denham 45.93 km 179 m
8. November 2016 Denham - Nanga Bay Resort 44.21 km 80 m
9. November 2016 Nanga Bay Resort - Overlander Roadhouse 77.55 km 152 m
10. November 2016 Overlander Roadhouse - Nerren Nerren Rest Area 92.94 km 125 m
11. November 2016 Nerren Nerren Rest Area - Galena Bridge Rest Area 72.76 km 100 m
12. November 2016 Galena Bridge Rest Area - Kalbarri 89.57 km 313 m
Total 422.96 km 949 m

Perth – Overlander Roadhouse – Monkey Mia

Am Abend des 3. November sind wir über die Velo-Autobahn von Balcatta, wo Anya wohnt, nach Perth City gefahren, um unseren Bus zum Overlander Roadhouse zu erreichen. 10 Stunden später, alles andere als erholt von dieser Nachtfahrt mit unzähligen Stops und Roadhouse-Aufenthalten, steigen wir ca. 1’000 Kilometer nördlich von Perth wieder aus dem Bus aus. Nach dem wir die Räder wieder fahrbar gemacht und uns mit Kaffee und Müesli gestärkt haben, nehmen wir die ersten Kilometer in Angriff. Und die sind harzig. Schlecht geschlafen, erster Tag auf dem Rad und schon über 25 Grad morgens um 8 Uhr (Tendenz steigend!!), nein, heute werden es nicht 80 Kilometer. Nach 35 richten wir uns in Hamelin Pool ein. Dort gibt es Stromatolithen zu sehen, es hat einen Pool, eine Dusche und vor allem SCHATTEN!

Am nächsten Morgen stehen wir bereits um 5 Uhr auf, um die kühlen Morgenstunden zu nutzen. Kurz nach dem losfahren, läuft uns auch schon das erste Emu über den Weg. Etwas nerviger sind mit den steigenden Temperaturen aber die Fliegen. Noch vor dem Mittag erreichen wir unser Etappen Ziel Nanga Bay und flicken über den Tag das Mätteli, das Luft verliert und geniessen ansonsten das Meer und den Pool. Es ist nicht mehr ganz so heiss wie am Vortag, oder haben wir uns bereits daran gewöhnt? Eine Begegnung der anderen Art hat Eliane auf der Toilette – die erste Redback Spider, zum Glück hinter dem Mückennetz. Eindrücklich alle Mal.

Der Start am Sonntagmorgen (5 Uhr)  ist nicht ganz so leicht. Zunächst hat auch das zweite Mätteli nun Zicken gemacht: zwei Schweissnähte haben aufgegeben. Man kann es zwar noch aufblasen, aber es ist etwas unbequem zum Liegen :-). Dann ist der Hafer für’s Porridge dummerweise in der Campkitchen von Hamelin Pool geblieben. Zum Glück haben uns Manuela und Nils aber mit Sponser Energienahrung versorgt und so können wir jetzt mit einem solchen in den Tag starten. Mit der gebündelten Energie von zwei Superhafernahrhaftriegeln radeln wir ohne Problem die 55 Kilometer bis Denham, wo wir am Strand Mittagsrast machen. Am Nachmittag fahren wir mit Rückenwind nach Monkey Mia, weitere 28 Kilometer. Langsam kommt die Kraft in den Beinen wieder.

Trotz teurem Bier lohnt sich der Aufenthalt in Monkey Mia. Wir stehen kurz vor 8 Uhr morgens am Strand und sehen bereits drei Delfine auf den Strand zu schwimmen. Die kommen seit vielen Jahren hier her jagen und man kann sie dabei vom Strand aus beobachten.

Datum Strecke Distanz Höhenmeter
Monkey Mia
4. November 2016 Overlander Roadhouse - Hamelin Pool Caravan Park 34.44 km 11 m
5. November 2016 Hamelin Pool Caravan Park - Nanga Bay Resort 53.87 km 114 m
6. November 2016 Nanga Bay Resort - Monkey Mia 79.91 km 190 m
Total 168.22 km 315 m